Das war ein beeindruckendes Zeichen, das Hamburg heute gesendet hat: Womöglich weit über 100.000 Menschen gingen unter dem Motto „Hamburg steht auf – gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke“ gegen Rechtsextreme und die AfD auf die Straßen und machten klar, dass die große Mehrheit der Gesellschaft für Demokratie, Solidarität und ein gutes Miteinander eintritt.
Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Kulturschaffenden, Wirtschaftsverbänden, Parteien und Vereinen hatte zu der Kundgebung aufgerufen. Hintergrund der Demo war das Geheimtreffen von Rechtsextremisten unter anderem mit AfD-Funktionären in Potsdam.
Zu Beginn der Kundgebung auf dem Jungfernstieg hatte unser Erster Bürgermeister Peter Tschentscher auf einer Bühne vor der Europa Passage zu den Demonstrierenden gesprochen. Er attackierte die AfD dabei scharf: „Die Botschaft an die AfD und ihre rechten Netzwerke ist: Wir sind die Mehrheit und wir sind stark, weil wir geschlossen sind und weil wir entschlossen sind, unser Land und unsere Demokratie nach 1945 nicht ein zweites Mal zerstören zu lassen.“
Durch Bekanntwerden des Potsdamer Treffens habe man erfahren, „dass Rechtsradikale in Deutschland einen Umsturz und eine systematische sogenannte Remigration von Millionen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes planen“, sagte er. Das zeige, wie schnell Populismus in verfassungsfeindliche, Demokratie und Menschen verachtende Aktivitäten umschlagen könne. Schon das Wort Remigration sei eine empörende Verharmlosung, so Tschentscher weiter. „Sie wollen eine Deportation. Sie wollen die Zeit zurückdrehen, zurück in eine Zeit von Hass und Gewalt“, sagte er.
Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs sagte in ihrer Rede: „Als Kirchen werden und dürfen wir nicht schweigen – heute nicht und morgen auch nicht, denn christlicher Glaube und völkisches Denken passen nicht zusammen – genauso wenig wie Kreuz und Hakenkreuz.“ Wenn Vertreibungsfantasien die Runde machten, dann breite sich im Land ein kriechender nasser Frost aus. „Wir wollen nicht, dass das gesellschaftliche Klima kälter wird – auch das ein Klimawandel, den wir aufhalten müssen – jetzt.“ Es könne nur eine Antwort geben: „Nein zu jeder Form von Rassismus und Antisemitismus.“
Viele Demonstrierende hatten Schilder dabei, auf denen etwa „Bunte Truppe statt braune Suppe“ oder „Nie wieder ist jetzt“ stand. Auf der Bühne sollten neben weiteren Rednerinnen und Rednern auch die stehen.
Die Demonstration war vom Verein Unternehmer ohne Grenzen, der Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland und dem DGB Hamburg organisiert worden. Viel Unterstützung kam auch aus der Politik. Die SPD-Fraktion hatte alle Hamburgerinnen und Hamburger aufgerufen, sich an der Demonstration zu beteiligen – ebenso Grüne und Linke. Auch Prominente wie die Hamburger Ehrenbürger Udo Lindenberg und John Neumeier unterstützten die Demo, und auch Musiker und Bands wie Meute, Kettcar und Stefan Gwildis.
Auch der Sport war vertreten: Der Präsident des FC St. Pauli, Oke Göttlich, sowie Vorstandsmitglieder des Hamburger Sportbunds. Der FC St. Pauli, der HSV-Supporters-Club und mehrere Amateurvereine hatten ebenfalls dazu aufgerufen, gegen rechte Hetze zu demonstrieren.
Ursprünglich sollte die Kundgebung auf dem nahegelegenen Rathausmarkt stattfinden. Doch die AfD-Fraktion meldete kurzfristig für Freitag eine Fraktionssitzung in der Hamburgischen Bürgerschaft an. Durch das Treffen im Rathaus kommt nach Angaben der Bürgerschaft das Hamburger Bannkreisgesetz zum Tragen, das Versammlungen und Demonstrationen in einem Umkreis von 350 Metern um das Parlament verbietet. Die Organisatoren der Kundgebung erklärten, diese Attacke der AfD überrasche nicht: „Die AfD nutzt demokratische Instrumente aus, um Grundrechte auszuhebeln. Sie zeigt einmal mehr, dass sie die Demokratie verachtet.“