In ernsten Zeiten kann man sich durchaus auch zwischendurch einmal freuen und schöne Geschichten erzählen. Und die folgende ist eine davon – pünktlich zum 75. Geburtstag des Panikrockers Udo Lindenberg hat unser Bürgermeister Peter Tschentscher Senat und Bürgerschaft vorgeschlagen, ihm in Anerkennung seiner künstlerischen Tätigkeit und seines Lebenswerks die Ehrenbürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg zu verleihen.
Peter Tschentscher begründet das so: „Udo Lindenberg ist einer der bedeutendsten Musiker unserer Zeit. Seine Persönlichkeit und seine Musik haben ganze Generationen geprägt. Vor über 50 Jahren hat Udo Lindenberg seine Heimat in Hamburg gefunden und seine musikalische Karriere hier begonnen. Er hat Hamburg geprägt und Hamburg ihn.
Seine Popularität hat Udo Lindenberg auch immer genutzt, um klare Botschaften zu senden für Freiheit und Toleranz, gegen Gewalt und Diskriminierung. Udo Lindenberg ist bis heute als Musiker, Schriftsteller und Maler aktiv und bekennt sich zu seiner Heimatstadt. Ich gratuliere ihm sehr herzlich zum 75. Geburtstag und freue mich, dass wir ihn – nach Ende der Corona-Pandemie – mit der Unterstützung von Senat und Bürgerschaft in den Kreis der Ehrenbürgerinnen und Ehrenbürger der Freien und Hansestadt Hamburg aufnehmen können“
Mein Büroleiter Karsten Blum – früher u. a. als Journalist beim NDR tätig – arbeitet immer noch sporadisch als Musikjournalist und hat Lindenbergs Karriere stets eng begleitet. Nachstehend einige Zeilen von ihm über Leben und Wirken unseres künftigen Ehrenbürgers:
Manche wissen gar nicht, dass Lindenberg kein Ur-Hamburger ist, sondern im westfälischen Gronau geboren wurde und dort aufwuchs. Er lernte früh das Schlagzeugspielen, ging nach der Schule mit einer amerikanischen Beat-Band zur Bespaßung der dort stationierten Soldaten nach Libyen, spielte danach in einer Combo in Münster und brach 1968 nach Hamburg auf – wo er bis zum heutigen Tage heimisch blieb.
Er lebte zunächst in einer WG zusammen mit Otto Waalkes und Marius Müller-Westernhagen, es wurde nächtelang musiziert und gefeiert, vor allem im legendären Onkel Pö.
Zunächst war er Drummer in einigen Bands und begehrter Studiomusiker, u. a. ist er auch heute noch im TATORT-Vorspann zu hören, den der Jazz-Musiker Klaus Doldinger komponiert und produziert hatte.
Langsam aber zog es ihn aber nach vorne auf die Bühne, ans Mikro – und so gründete er als Sänger und Texter seine eigene Band, das Panikorchester. Die erste Scheibe war noch ein Flop, aber mit dem Song „Hoch im Norden“ auf dem zweiten Album schaffte er den Durchbruch – die Kurve zeigte zunächst steil nach oben.
Sein Deutsch-Rock kam an, und seine schnodderigen Texte waren hauptsächlich sozial – und gesellschaftskritisch, politisch – und vor allem authentisch, er traf den Nerv der damaligen Jugend. Ebenso thematisierte er Alkoholismus sowie Medikamenten- und Drogenmissbrauch, ohne erhobenen den Zeigefinger, denn auch er selbst sprach in der Zeit doch ziemlich dem Genuss härterer Drinks zu.
1983 hatte er seinen bis dahin größten kommerziellen Erfolg mit dem „Sonderzug nach Pankow“, mit dem er auf seine flapsige Art „Honi“ dazu aufforderte, ihn in der DDR auftreten zu lassen, u. a. mit der Textzeile „All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen…“.
Wenige Monate später durfte er dann tatsächlich im Palast der Republik in Ost-Berlin auftreten, machte sich aber vor dem von der Stasi ausgewählten Publikum unbeliebt, weil er nicht nur die Abrüstung der Pershing II-Raketen auf westlicher, sondern auch die der SS-20-Raketen auf östlicher Seite forderte. Die geplante Tour durch die DDR wurde daraufhin abgesagt.
1987 aber schenkte Lindenberg Erich Honecker anlässlich dessen erstem Besuch in der BRD neben einer zuvor bereits per Post übersandten Lederjacke eine E-Gitarre mit der Aufschrift „Gitarren statt Knarren“. Seine erste Tour im Osten Deutschlands kam dann aber erst nach dem Mauerfall zustande, in vollen Konzertsälen, seine Fangemeinde in der ehemaligen DDR ist nach wie vor riesig.
Man kann sicher sagen, dass er zumindest auf dem musikalischen Gebiet ein Vorreiter und Verfechter einer friedlichen Wiedervereinigung war – sein pazifistisches Engagement zeigte er mit Auftritten bei zahlreichen Friedens-Demos – und natürlich mit seinen Songs, wie die sehr berührende Ballade „Wozu sind Kriege da“.
Seine Musik wurde in den 80ern etwas elektronischer, seine Texte aber bleiben aktuell, so war er z. B. an der „Rock gegen Rechts“-Bewegung beteiligt und schieb Songs gegen Neonazis, wie „Sie brauchen keinen Führer“. Mit seinem Album „Bunte Republik Deutschland“ schuf er ein Plädoyer für eine friedliche multi-kulturelle Gesellschaft ohne Diskriminierung, Rassismus und Hass.
Nach einer kleinen Durststrecke in den 90ern nahm Lindenberg wieder Fahrt auf und erzielte einen Erfolg nach dem anderen, er füllt wieder Konzerthallen und auch Stadien. Das liegt allerdings auch daran, dass er nach einem Herzinfarkt 1989 gesundheitsbewusster lebt, sich nur noch ab und zu ein Eierlikörchen gönnt. Irgendwie aber bleibt er auch Lebemann, seit Mitte der 90er wohnt er im Hotel Atlantic an der Alster, ist aber zwischendurch wegen Corona ausgezogen.
Udo Lindenberg ist ein politisch aktiver Mensch geblieben, er engagierte sich für die Afrikahilfe, nach wie vor an Projekten gegen den Neonazismus beteiligt – gründete u. a. das Projekt „Rock gegen rechte Gewalt.“ 2006 gründete er die Udo-Lindenberg-Stiftung, um sich dauerhaft kulturpolitisch, humanitär und sozial zu engagieren.
Seit 2015 unterstützt Udo Lindenberg die Umweltschutzorganisation Greenpeace als Botschafter für den Schutz der Arktis und im Kampf gegen die Klimakrise, und erst letztes Jahr kritisierte er in einem Video den Fleischfabrikanten Clemens Tönnies für die Zustände in dessen Fabriken und rief zur Unterzeichnung eines offenen Briefes gegen Billigfleisch an Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf.
Zum Schluss noch eine kleine Anekdote aus meiner Zeit im NDR-Studio Osnabrück Mitte der 90er. Eines Tages kam die Eilmeldung herein, dass Udo Lindenberg in die Herzklinik im benachbarten Bad Rothenfelde eingeliefert worden sei. Sofort erteilte mir meine Studioleiterin den Auftrag, einen Nachruf vorzubereiten. Das tat ich, aber wenige Stunden später gab es die Entwarnung, mein fertiges Manuskript wanderte in einen Aktenordner und wurde bekanntermaßen bis heute nicht hervorgeholt.